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Spompamadeln[1]

Während ich einen recht eindimensionalen Grünen Veltliner trinke, blitzt in einer schwer einsehbaren Ecke meiner Langeweile ein Funke Vorwitz auf. Infolgedessen gründe ich einen offiziellen Geheimorden für Frauen. Sein Name soll „Spompamadeln“ sein, der Zweck die Pflege ernsthafter Vergnüglichkeiten sowie die Bildung kritischer Massen. Die monatlichen Treffen sollen unregelmäßig stattfinden damit niemand unrechtmäßig dazu stoßen kann, Informationen dazu werden an geheimem Orten in den Sozialen Medien zu finden sein. Weiterhin werde ich ein genaues Protokoll vorgeben, das die gewünschte Flexibilität im Handlungsstrang ermöglicht. Die Mitgliederinnen sollen sich durch geistige Raffinesse und ein spezielles Interesse an Nebensächlichkeiten auszeichnen.
Für das erste Treffen gebe ich das Thema „Weihwasser“ vor.

Unerwartet haben sich an die 30 Interessentinnen gemeldet, die sich zu den Spompamadeln berufen fühlen. Sie finden sich zum Gründungstreffen im geheimen Hinterstübchen des Christkindlcafes in Steyr ein, wo ich Arbeitsgruppen zu je drei Damen vorgebe, die sich selbst organisieren und dann vorbringen sollen, was sie zum Thema Weihwasser herausfinden konnten. Alle Gruppen kommen zum selben Ergebnis: Dass Weihwasser nicht von Frauen hergestellt werden kann, ist ein Skandal! Die Gruppe sieben geht sogar so weit, einen kollektiven Austritt aus der katholischen Kirche zu fordern. Dieser ist unser erstes Spompanadel. Die Kirchenzeitung berichtet monatelang mit großem Tamtam darüber, wodurch es im ganzen Land zu weiteren weiblichen Massenaustritten kommt und wir zur Bekräftigung einen freien Ausdruckstanz choreografieren, den wir unangemeldet vor dem Diözesanhaus in Linz aufführen. Unser zweites Spompanadel.
Als sich abzeichnet, dass mehr und mehr Damen bei den Spompamadeln mitmachen wollen, fange ich irgendwie an, mich um meine gewohnte Langeweile irgendwie zu sorgen und gebe – angelehnt an einen irren Kultfilm, dessen Name mir nicht mehr einfällt – drei absolut gültige Verhaltensrichtlinien heraus:

1) Erzähl niemandem von den Spompamadeln!
2) Erzähl niemandem von den Spompanadeln!
3) Lass dir nichts sagen!

Beim nächsten Treffen nagle ich diese Gebote an die Wand des Museums Arbeitswelt, wo sie von mindestens 120 emsigen Möchtegernmitgliederinnen abgeschrieben und fotografiert werden.
Das Thema dieses Treffens lautet: „Fernsehgerät“.
Ohne mein Zutun bilden sich 40 Arbeitsgruppen, die sich eingehend mit meiner Vorgabe auseinandersetzen. Die Ergebnisse sind frappierend einheitlich: Neben der Überbewertung der Größe und der zunehmenden Abnahme der geistigen und sozialen Fähigkeiten bei Heavy Usern fiel den Spompamadeln eine starke Vernachlässigung der männlichen Sexualisierung auf. Viel zu selten sehen wir demnach schöne Männer in leichter Bekleidung ihre Körper in Szene räkeln. Das kann so nicht angehen!

Als drittes Spompanadel gründen wir einen eigenen Fernsehsender, der ganz ohne Sexualisierungen auskommt. Stattdessen bringt er beruhigende Inhalte wie spielende Katzenkinder, gelungene Raketenstarts, Anleitungen zum Gemüse- und Zierpflanzenbau und die Bilder einer eigens ganz unten im Marianengraben installierten Webcam. Es erstaunt mich doch einigermaßen, dass unser Sender SPOM 1 bald alle herkömmlichen Sender überflügelt und selbst auf den Megascreens am Picadilly Circus und Times Square nonstop läuft. SPOM 1 ist ein derartiger Erfolg, dass wir sogar eine Anfrage des KiKAs um einen Sendeplatz für Bernd, das Brot freundlich ablehnen müssen, da die Inhalte dieser Serie viel zu viel Aufregung in unser Programm gebracht hätten. („Mist!“ war bei diesem Telefonat im Hintergrund zu hören.) Als weiteres Spompanadel fungieren wir selbst abwechselnd als Moderatorinnen, vollkommen ungeschminkt und zerrupft, in Kartoffelsäcke oder noch einfacher gekleidet und ohne ein Wort zu sagen, versteht sich. In der Folge werden Haushaltsfernsehgeräte weltweit entsorgt, das Konsumieren dieses neuartigen Fernsehens wird zur geselligen, öffentlichen Angelegenheit; und ein weiteres Phänomen stellt sich ein: Brachen werden eigenmächtig revitalisiert, Parkplätze, Straßen und weitere versiegelte Flächen rechtswidrig renaturiert und überall auf der Welt gedeihen in illegalen Schrebergärten Zierpflanzen und Salate, Tomaten, Bohnen, Karotten und was sonst noch so für den Eigenbedarf gezogen werden will.

In der überfüllten Stadthalle von Steyr gebe ich beim nächsten Geheimtreffen das Thema „Bilderrahmen“ vor. Die 400 Arbeitsgruppen geben alles und kommen zu dem Schluss, dass Bilderrahmen so vielfältig sind wie die Menschheit selbst, da sie Kunstwerke ebenso gleichmütig präsentieren wie Entbehrliches, dass sie mitunter der Eitelkeit förderlich sind und dass es einen ganz speziellen mit meinem Konterfei darin brauche, da ich die Leiterin des Ordens sei, und als fünftes Spompanadel solle er vervielfältigt und an möglichst vielen Orten aufgehängt werden. Einerseits geschmeichelt fühle ich dennoch an dieser Stelle, dass ich endgültig der Spompanadeln müde werde. Mein Vorschlag wird daher freudig angenommen: Jede Mitgliederin zimmert sich ihren eigenen Bilderrahmen, durch welchen sie sich bei jeder Gelegenheit selbst darstellen kann. Nicht nur bleibe ich auf diese Weise vom drohenden Weltruhm verschont, sondern es gründen sich auch laufend neue Frauengeheimverbindungen, die Spompamadeln gehen global viral.
Da bleibt kein Stein auf dem anderen, die Welt steht Kopf, es geht drunter und drüber, die Ereignisse überstürzen sich, man kommt mit dem Schauen nicht mehr nach und…

…mein Vorwitz funkt jetzt nicht mehr. Dafür verfolge ich die Errungenschaften des jetzt weltweit tätigen Ordens auf SPOM 2, während ich bequem die Beine hochlege und genüsslich meinen Uhudler[2] schlürfe. Das ist Langeweile in einer neuen Dimension.  


[1]Spompanadel bedeutet Sperenzchen oder Jux. Madel ist das österreichische Idiom für Mädchen.

[2] Meist roter bis roséfarbener, früher verbotener Wein aus dem Südburgenland, mit fruchtigem, von frischer Säure geprägtem Geschmack.

Ute Freyschlag wurde 1979 in Steyr, Oberösterreich, geboren und lebt dort. Sie hat seit 2021 einen Sohn, erfreut sich an Sperlingen, weiteren Äußerungen der Natur, am Lesen und an Musik. Sie besitzt ein Cello namens Franz, auf dem sie regelmäßig dilettiert.
Sie hat in Wien Anthropologie studiert, in Steyr die Ausbildung zur Biomedizinischen Analytikerin absolviert und als Zimmermädchen gearbeitet. Derzeit ist sie Mitarbeiterin der Firma Baumpartner Arboristik GmbH. Vor einigen Jahren hat sie damit begonnen, Geschichten zu verfassen.
Einige davon hat sie bisher in zwei Ausgaben des kreativen Steyrer Magazins kunst + bunt veröffentlicht, ansonsten hat sie noch keine Veröffentlichungen vorzuweisen. Sie ist Mitglied im textQuartett Steyr, einem literarischen Zirkel von Hobbyschreibenden.